Abfindung per Kündigungsschutzklage erhalten – so geht’s
Sie möchten gegen eine Kündigung des Arbeitgebers klagen und so eine Abfindung durchsetzen? Der Weg ist meist der richtige. Wir erklären Ihnen, wie Sie per Kündigungsschutzklage an eine Abfindung kommen.
Kann ich per Kündigungsschutzklage eine Abfindung durchsetzen?
Sehr oft lautet die Antwort: Ja!
Der Reihe nach:
Kein Anspruch auf Abfindung
Grundsätzlich haben Sie keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung. Nur in Ausnahmefällen steht Ihnen eine Abfindung zu, ohne dass Sie etwas dafür tun müssten. Das gilt etwa für Sozialpläne (auch hier lohnen sich oft aber Nachverhandlungen).
Abfindung aushandeln
Deshalb erhalten Sie eine Abfindung in aller Regel nur, wenn Sie mit Ihrem Arbeitgeber darüber verhandeln. Wenn Sie bereits Kündigungsschutzklage erhoben haben, stehen Ihre Chancen häufig gut.
Der Arbeitgeber ist dann nämlich daran interessiert, das Kündigungsschutzverfahren so schnell wie möglich zu beenden. Dafür bietet er Ihnen oft eine Abfindung an.
Für den Arbeitgeber sind mit einer Kündigungsschutzklage nämlich viele Nachteile verbunden:
- Sie genießen als Arbeitnehmer in der Regel hohen Kündigungsschutz. Für den Arbeitgeber besteht deshalb die große Gefahr, dass er das Verfahren verliert.
- Sofern sich herausstellt, dass die Kündigung unwirksam ist, muss der Arbeitgeber Sie weiter beschäftigen.
- In dem Fall muss er Sie für die gesamte Dauer des Gerichtsprozesses nachbezahlen und die Gerichtskosten tragen.
- Daneben muss er natürlich auch seine eigenen Anwaltskosten bestreiten.
Diese Risiken will der Arbeitgeber umgehen, indem Sie sich vor Gericht einigen. Dieser sog. Vergleich sieht oft wie folgt aus:
- Sie akzeptieren die Entlassung und lassen die Klage fallen.
- Dies lassen Sie sich mit einer Abfindung bezahlen.
- Sie vereinbaren weitere Aspekte, wie etwa ein gutes Arbeitszeugnis.
- Sie einigen sich über die Gerichts- und Anwaltskosten. Oft trägt jeder seine eigenen Anwaltskosten und der Arbeitgeber zusätzlich die Gerichtskosten.
Wie komme ich zur Abfindung?
Sie können per Kündigungsschutzklage gegen Ihre Entlassung vor Gericht ziehen. Ziel ist es dann, dass der Arbeitgeber und Sie einen gerichtlichen Vergleich über eine Abfindung schließen.
Wichtig: Wenn Sie die Kündigungsschutzklage als Druckmittel für eine Abfindung einsetzen möchten, müssen Sie zwingend die Klagefrist einhalten! Die Klagefrist beträgt nur drei Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung. Lassen Sie diese Frist verstreichen, ist eine Abfindung meist unrealistisch.
Der Weg zur Abfindung sieht meist wie folgt aus:
- Nach Ihrer Klage bestimmt das Gericht einen sogenannten Gütetermin. Sie treffen sich also vor Gericht. Oft kommen auch nur die Anwälte zu dem Termin. Schon hier bietet der Arbeitgeber oft an, eine Abfindung zu zahlen, wenn Sie die Klage zurücknehmen. Ob Sie annehmen sollten, hängt von der Höhe des Angebots und Ihren Erfolgsaussichten ab.
- Wenn noch kein Vergleich zustande kommt, tauschen die Anwälte weitere Schriftsätze aus, in denen sie dem Gericht Ihren Fall schildern.
- Das Gericht bestimmt dann einen Kammertermin. Darin wird Ihr Fall mündlich behandelt. Auch hier können Sie mit Ihrem Arbeitgeber über eine Abfindung und einen gerichtlichen Vergleich verhandeln. Häufig ist der Arbeitgeber zu höheren Beträgen bereit, je länger das Verfahren dauert.
- Wenn erneut keine Einigung zustande kommt, entscheidet das Gericht per Urteil. Sie müssen dann entweder die Kündigung ohne Abfindung akzeptieren oder Sie behalten Ihre Stelle.
- Unter Umständen lohnt es sich, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Im Berufungstermin können Sie erneut über eine Abfindung verhandeln.
Während der Kündigungsschutzklage können Sie sich auch außergerichtlich auf einen Abfindung einigen. Dies geschieht dann in einem Abwicklungsvertrag. Der Unterschied zum gerichtlichen Vergleich ist nicht groß.
Welche Höhe hat die Abfindung?
Die Höhe der Abfindung lässt sich nicht pauschal bestimmen. Sie hängt vom Verhandlungsgeschick Ihres Fachanwalts für Arbeitsrecht ab.
Die Faustformel
Als erste Orientierung kann folgende Faustregel dienen:
Abfindung = 0,5 x Monatsgehalt (brutto) x Anzahl der Beschäftigungsjahre
Beispiel:
B verdient monatlich 6.000€ und erhält eine Kündigung nach zehn Jahren im Unternehmen. Seine Abfindung beträgt nach der Faustformel (0,5 x 6.000€ x 10 =) 30.000 €.
Höhere Abfindung
In vielen Fällen können Sie dennoch eine höhere Abfindung erhalten. Natürlich ist auch denkbar, dass die Abfindung niedriger ausfällt oder ausbleibt. Insbesondere bei kurzzeitigen Beschäftigungen und bei besonderem Kündigungsschutz haben Sie aber Chancen auf einen höheren Betrag. Letzteres betrifft z.B. tariflich besonders Geschützte, Schwerbehinderte, Betriebsratsmitglieder, Mitarbeiter in Elternzeit, Auszubildende und Schwangere.
Wesentliche Faktoren für die Höhe der Abfindung sind:
- Wie würde das Gericht voraussichtlich entscheiden: Wäre die Kündigung zweifelsfrei wirksam oder eher unwirksam?
- Wie lange läuft das Verfahren bereits? Je länger die Dauer der Kündigungsschutzklage, desto größer ist der Einigungsdruck auf den Arbeitgeber.
Die Einzelheiten zum ersten Aspekt unterscheiden sich zwischen der betriebsbedingten, verhaltensbedingten und personen-/krankheitsbedingten Kündigung:
Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung
Der Arbeitgeber kündigt aus betrieblichen Gründen (z.B. Umstrukturierung, Betriebsstillegung). In diesen Fällen ist die betriebsbedingte Kündigung besonders fehleranfällig. Insbesondere diese Gründe können dann zu einer hohen Abfindung nach einer betriebsbedingten Kündigung führen:
- Der Arbeitgeber hat Fehler bei der Sozialauswahl gemacht. Zuerst müssen die Arbeitnehmer, die eine Kündigung sozial besser verkraften, gekündigt werden. Dies ist abhängig von der Länge des Arbeitsverhältnisses, des Alters, einer Schwerbehinderung sowie Unterhaltspflichten des Mitarbeiters.
- Der Betriebsrat wurde nicht ausreichend vor der Entlassung angehört.
- Ihr Arbeitsplatz entfällt nur vorübergehend.
- Es gibt die Möglichkeit, Sie an anderer Stelle weiter zu beschäftigen.
Hier erfahren Sie mehr Abfindung nach bestimmten Arten der betriebsbedingten Kündigung:
Abfindung bei verhaltensbedingter Kündigung
Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt ein steuerbares, vorwerfbares Fehlverhalten des Arbeitnehmers voraus. Es muss eine Pflichtverletzung des Arbeitsverhältnisses vorliegen. In diesen Fällen stehen Ihre Chancen auf eine höhere Abfindung gut:
- Sie wurden vorher noch nicht oder nur wenige Male abgemahnt.
- Die Abmahnungen betreffen jeweils ein ganz unterschiedliches Fehlverhalten.
- Eine ältere Abmahnung ist oft als Grundlage für die Kündigung nicht mehr nutzbar.
- Sie arbeiten schon viele Jahre im Unternehmen und der Vorwurf ist nicht schwerwiegend.
- Eine Anweisung, die der Arbeitgeber Ihnen erteilt hat, aber nicht hätte erteilen dürfen, stellt den Kündigungsgrund dar.
Abfindung bei krankheitsbedingter Kündigung
Bei der personenbedingten Kündigung wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person oder seinen Fähigkeiten liegen, gekündigt. Insbesondere bei krankheitsbedingten Kündigungen haben Sie in diesen Fällen Aussicht auf eine höhere Abfindung:
- Der Arzt attestiert Ihnen, dass Sie bald genesen sein werden. Voraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung ist eine negative Gesundheitsprognose. Diese wird durch das Attest widerlegt.
- Sie haben unter sechs Wochen pro Jahr gefehlt und es sind zukünftig keine Verschlechterungen zu erwarten.
Abfindung bei Änderungskündigung
Bei einer Änderungskündigung stellt der Arbeitgeber Sie vor die Wahl. Entweder akzeptieren Sie die schlechteren Arbeitsbedingungen, oder Sie werden entlassen.
Wir informieren Sie im verlinkten Beitrag weiter zur Abfindung nach einer Änderungskündigung.
Sonderkonstellationen
Im Arbeitsrecht ist kein Fall wie der andere. Es gibt zahlreiche Sonderkonstellationen. Auf einzelne gehen wir hier ein:
Abfindung bei Wiedereinstellung?
Sofern Sie gegen die Kündigung klageweise vorgehen und sich herausstellt, dass die Kündigung wirksam ist, endet das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung.
Jedoch können sich die Umstände, die zur Kündigung geführt haben, nachträglich geändert haben.
Beispiel:
Ihre Stelle entfällt doch nicht, weil während der Kündigungsfrist überraschend ein Großauftrag eingegangen ist.
Dann besteht die Möglichkeit, dass Sie trotz wirksamer Kündigung Ihre Wiedereinstellung verlangen können. Hingegen haben Sie nach der Wiedereinstellung keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung.
Wenn Sie bereits eine Einigung vor Gericht mit Abfindung geschlossen haben, müssen Sie diesen Betrag unter Umständen zurückzahlen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 4.12.1997, Az: 2 AZR 140–97). Je nach Konstellation ist aber auch denkbar, dass Ihre Einigung wirksam bleibt und Sie trotz Entfall des Kündigungsgrunds keine Wiedereinstellung verlangen können (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 31.01.2018, Az: 7 Sa 389/17). Natürlich steht Ihnen dann die Abfindung weiter zu.
Abfindung, wenn Kündigungsschutzklage gewonnen ist?
Wenn Sie die Kündigungsschutzklage gewonnen haben, ist die vom Arbeitgeber erteilte Kündigung unwirksam. Das bedeutet für Sie, dass Sie Ihren Arbeitsplatz behalten und Ihr Arbeitgeber Sie weiter beschäftigen muss. Gleichzeitig haben Sie aber auch keinen Anspruch auf eine Abfindung.
Allerdings gibt es eine Ausnahme. Die Rede ist vom sog. Auflösungsantrag nach §§ 9 ff. Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Wird der Antrag gestellt, erhalten Sie selbst bei gewonnener Kündigungsschutzklage nur eine Abfindung und kehren nicht auf Ihre Stelle zurück.
Den Auflösungsantrag können Sie oder der Arbeitgeber stellen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und dem Arbeitgeber so gestört ist, dass eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar ist. Ausschlaggebend ist vor allem das Verhalten der Parteien während des Prozesses. Das Gericht prüft den Antrag und legt eine Abfindung fest, wenn es die Rückkehr an den Arbeitsplatz für den Antragsteller für unzumutbar hält.
Kündigungsschutzklage trotz Sozialplans?
Im Sozialplan einigen sich der Arbeitgeber und der Betriebsrat über einen sozialen Ausgleich für die gekündigten Mitarbeiter. Der Sozialplan soll die Nachteile einer Kündigung abmildern.
Der Sozialplan gewährt Ihnen oft einen Anspruch auf eine Abfindung, für die Sie nicht weiter verhandeln müssen. Auch wenn ein Sozialplan besteht, können Sie trotzdem gerichtlich gegen die Kündigung vorgehen. Denn der Sozialplan sagt nichts darüber aus, ob Ihre Kündigung rechtsmäßig ist.
Eine Kündigungsschutzklage bietet sich unter Umständen auch an, um eine höhere Abfindung auszuhandeln, als der Sozialplan vorsieht.
Wichtig ist, dass Sie auch hier die dreiwöchige Kündigungsfrist ab Zugang der Kündigungserklärung beachten!
Fazit
- Sie haben gesetzlich keinen Anspruch auf eine Abfindung.
- Dennoch können sie klageweise gegen die Kündigung vorgehen und so versuchen, die Zahlung einer Abfindung durchzusetzen. Oft ist der Arbeitgeber dazu nach Verhandlungen bereit.
- Für die Höhe der Abfindung gilt folgende Faustregel: 0,5 x Monatsgehalt (brutto) x Anzahl der Beschäftigungsjahre. Letztendlich ist die Höhe einzelfallabhängig.
- Um Kündigungsschutzklage erheben zu können, müssen Sie die dreiwöchige Klagefrist ab Zugang der Kündigungserklärung einhalten.
- Ein Sozialplan hindert nicht Ihre Möglichkeit, Kündigungsschutzklage zu erheben.
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